Seit 800 Jahren auf der Höhe

Geistlicher Beistand für »Da Qerwelschnetzer Rolf«. Wie Quirlemacher Rolf Firn hatten sich viele Teilnehmer der Festtage in Frauenwald in historische Gewänder gekleidet. | Foto:  Thomas Schäfer
  • Geistlicher Beistand für »Da Qerwelschnetzer Rolf«. Wie Quirlemacher Rolf Firn hatten sich viele Teilnehmer der Festtage in Frauenwald in historische Gewänder gekleidet.
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Frauenwald: Wer dorthin will, muss viel Wald durchqueren und einen langen Anstieg bewältigen. Auf rund 760 Höhenmetern gelegen, ist die Gemeinde eine der höchsten in der EKM. Jetzt wurde die Ersterwähnung vor 800 Jahren gefeiert.
Von Uta Schäfer

Für einige Tage ist die Durchgangsstraße von Frauenwald für den Autoverkehr gesperrt, doch ruhig ist es ganz und gar nicht. In vielen Häusern und Höfen waren seit Monaten die hintersten Winkel nach Geschichtszeugnissen durchstöbert worden, die nun nach Draußen drängten und die Dorfstraße zu einer Flaniermeile durch die Jahrhunderte machten. »So sah es bei unserer Urgroßmutter im Wohnzimmer aus«, lachen zwei Teenager, die vor einer umfunktionierten Garage in der Sonne sitzen und Einblicke in einstige Gemütlichkeit gewähren. Ein Stück weiter wird nach alter Art Waschfest gefeiert, werden Holzsägen präsentiert, Strohseile gewunden, Holzröhren gebohrt, Kräuter erklärt oder Messer geschliffen.
Zum Kaleidoskop alter Handwerkstechniken trägt auch Rolf Firn bei. Der 73-jährige Frauenwälder hat sich als »Querwelschnetzer« vor seinem Haus an der Nikolaikirche postiert. Gelernt habe er das Quirlemachen vor über 60 Jahren von seinem Vater, der ihm zeigte, wie man ausrangierte Weihnachtsbäume in praktische Haushaltshelfer verwandelt. Ehrenamtlich kümmert er sich ansonsten um den Friedhof und Besucher, die die Kirche außerhalb von Gottesdienst und Festlichkeit sehen wollen. Gegenüber der Kirche steht Uta Werlich. Im Nonnenhabit erinnert die Berufsschullehrerin daran, dass die nachweisliche Ortsgeschichte 1218 mit einer Urkunde beginnt, in der Graf Poppo VII. von Henneberg die »frawen uff dem walde« dem Kloster Veßra unterstellt. Heidrun Wagner,
Gisela Firn und Margarete Braun bieten aus den Fenstern des Kirchengemeindebüros allerlei Köstlichkeiten an. Mit ihren Gewändern führen sie in die Reformationszeit zurück.
1592 wurden Kloster und Stift aufgelöst und der letzte Prior aus dem Kloster Veßra als erster evangelischer Pfarrer in Frauenwald eingesetzt. Mit diesen beiden Szenen beteiligt sich die evangelische Kirchengemeinde am »Historischen Dorf«, das mit jeweils einem Bild ein Jahrhundert in Frauenwald illustriert. Dazwischen Impressionen vom harten Alltag nahe des Rennsteigs. Das raue Klima lässt kaum Obst gedeihen, doch still ist es hier und die Luft rein, was Erholungssuchende seit langem zu schätzen wissen. »Ein Frauenwälder erwärmt sich am Eisblock«, sagen die Alteingesessenen mit verwegenem Schmunzeln.
Wer hier oben beheimatet ist, muss diese besondere Situation lieben und die enge Dorfgemeinschaft mit den vielen Vereinen und Gruppen. »Das Jubiläum hat alle Bürger mobilisiert. Genau so haben wir uns das gewünscht«, stellt Frank Amm, ehrenamtlicher Bürgermeister der knapp 1 000 Einwohner zählenden Gemeinde zufrieden fest. Zur Vorbereitung wurde im Herbst 2017 ein Verein und ein Festkomitee gegründet, in dem auch Pfarrerin Anne-Kristin Flemming mitarbeitete. »Wir sind hier gut vernetzt«, betont sie. Im Gemeindealltag ist ihr wichtig, in allen Gemeinden regelmäßig Gottesdienst zu feiern. Dabei könne sie auch auf die Unterstützung von Lektoren bauen, was ebenfalls gut angenommen wird. In Frauenwald gehören etwa 380 Einwohner zur evangelischen Kirchengemeinde. Matthias Wolff ist Vorsitzender des Gemeindekirchenrates und Mitglied im Kirmesverein. Der Tischler sorgt für vieles und auch dafür, dass der Kirmesverein alljährlich das Krippenspiel gestaltet. Zum letzten Weihnachtsfest gab es sogar eine echt schwangere Maria.
In den Orten funktioniere das Gemeindeleben ehrenamtlich und mit großem Engagement. Übergemeindliche Aktivitäten seien allerdings schwer zu realisieren, merkt Pfarrerin Flemming an. Das betrifft auch die Arbeit mit den sehr kleinen, jahrgangsabhängigen Kindergruppen in einer großen Fläche. Wer auf dem Kamm des Thüringer Waldes wohnt, fährt täglich mehrmals und viele Kilometer zur Arbeit, zur Schule, zum Arzt oder Einkauf. Darum haben die Familien am Wochenende wenig Lust und Kraft, wieder ins Auto zu steigen, um ihre Kinder zu kirchlichen Angeboten zu bringen.

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