Erfahrung
Klosterbesuch in Werninghausen

Wer mich und meine vielen Beitrage und Artikel kennt, der weiß, dass ich für diverse Vereine und Gruppen bereits geschrieben, und auch viel geschrieben habe. Besondere Freude macht es mir seit mehr als 10 Jahren Erlebnisberichte und Reiseerzählungen aus der Ortsgruppe WB 4 (Wohnbezirk IV) der Volkssolidarität in Sondershausen zu schreiben. Oft beginne ich solche Reiseerzählung mit den Worten: „Wenn Engel reisen …“ Ja, so war es auch dieses Mal.

Bewölkt, aber kein Regen wie gestern am Montag. Aber bei unserer Fahrt heute hatten wir sicher auch schon einen besonderen Schutzengel auf der Hinfahrt zur Ordensgemeinschaft St. Wigberti in Werninghausen der uns begleitet und auf uns achtet. Oft gehen mir im Nachgang solcher Erlebnisse und Ausflugsfahrten die Zeilen recht schnell von der Hand um das Erlebte auch zu Papier zu bringen.

Auch den Besuch hier in St. Wigberti, den ich schon länger vorbereitet hatte, wollte ich recht schnell schriftlich festhalten. Aber um es vorweg zu nehmen, es war ein ganz besonderer Nachmittag für die ganze Gruppe, auch emotional, auch für mich. Das Erlebte bei der Ordensgemeinschaft, insbesondere die Begegnung mit Bruder Klaus und Pfarrer Franz, sowie dem gemeinsamen Nachmittag in St. Wigberti prägte auch nach unserem Abschied gegen Abend dort nicht nur die Gedanken und Gespräche aller Mitreisenden während der Rückfahrt mit unserm Bus von Funktaxi Grambs. Auch mich brachte das auf eine ganz besondere Art und Weise zum Nachdenken, zum Besinnen, zum Hinterfragen von Dingen, Begebenheiten, Entscheidungen im Leben und viele Emotionen und Gedanken durchströmten mich lange und nachhaltig.

Also brauchte ich etwas länger Zeit um diese besonderen positiven, weltoffenen Erlebnisse und Gedanken in mir wirken zu lassen, mich zu sammeln und ich stellte mir bewusst die Frage: Wie und mit welchen Worten und Gedanken kann ich die Leser an diesen Erlebnissen teilhaben lassen.

Nun wirkt dieser Besuch auch nach zwei Tagen noch immer sehr stark in mir nach, aber ich möchte nun ein erstes Resümee versuchen. Bereits bei unserer Ankunft bei der Ordensgemeinschaft St. Wigberti in Werninghausen wurde ich mit der Gruppe (34 Teilnehmer) durch Bruder Klaus sehr herzlich begrüßt und empfangen. Zuerst ging es weiter in die Kirche, wo uns Pfarrer Franz ebenfalls ganz herzlich empfing und begrüßte. Die nun folgenden 1 ½ Stunden mit Pfarrer Franz brachten meine, zugegeben sicher naive Vorstellung als Atheist und Nicht-Christ und der Erziehung und Bildung in der DDR mit Pionieren, FDJ, Jugendweihe, Staatsbürgerkundeunterricht vollkommen durcheinander und eröffneten ein ganz anderes, besonderes Bild in mir.

Wer nun wie ich naiver Weise erwartet hatte, jetzt tritt der Pfarrer in der Kirche auf mit erhobenem Zeigfinger, Geboten, Verboten und Lobpreisungen lag vollkommen falsch. Dieses falsche Klischee eines Nichtgläubigen mit einer nicht kirchlichen Orientierung wurde sofort über den Haufen geworfen. Eine ungewohnte Situation, die ich so nicht einordnen konnte.

Stattdessen erzählte uns Pfarrer Franz ganz viel aus seinem eigenen langen bisherigen Leben und Erleben. Ich möchte hier nur ansatzweise andeuten, Kindheit, Krieg, Flucht 1945, Verlust der Eltern, Waisenhaus, ganz liebevolle Adoptiveltern, beruflicher Werdegang und wie er zum Glauben und der Entscheidung Theologie zu studieren kam um anschließend der Gemeinschaft mit seinem Glauben zu dienen und beiseite zu stehen. Unterdessen schauen wir auch hinter ihm und dem Altarraum auf ein großes Wandbild Bild Gottes zwischen den beiden Fenstern mit weit ausgebreiteten und offenen Armen umrahmt von einem Strahlenkranz. Diese offenen Arme laden auch uns als Gruppe vom WB 4 ein.

Das Wandbild hat Pfarrer Franz auch selbst gemalt, ebenso die gesamte farbliche Gestaltung in der Kirche. Er erzählte uns auch, dass die Ordensgemeinschaft die Kirche und das Kloster nur durch Spenden finanziert, gebaut hat, unterhält und weiter gestaltet wird. Von Staat und Kirche werde man nicht finanziell getragen und unterstützt. Stolz sagte er uns, dass die Gemeinschaft von über 200 Menschen durch Spenden unterstützt wird. Auch an den Sonntagen zu den Gottesdiensten ist die Kirche mit den über 50 Sitzplätzen und darüber hinaus sehr gut besucht. Natürlich gebe es hier auch Taufen, Hochzeiten und vieles mehr. Auch Ivan Rebroff als Künstler mit russischen Weisen und Volksliedern ist hier öfters aufgetreten zu Konzerten. Dafür gibt es unter anderem einen besonderen Zusammenhang, den erkläre ich gleich.

Besonders betonten Pfarrer und die Ordensgemeinschaft, dass hier eine glaubensübergreifende Ökumene gelebt wird. Das werden wir noch im nachfolgenden als wichtiges Detail erleben. Durch viel eigenes Engagement und Unterstützung wurde nicht nur die Kirche bereits zu DDR-Zeiten wieder restauriert. Nicht nur durch die DDR-Mangelwirtschaft, die politischen Ziele und ökonomischen Steuerungs-und Vorrangprozesse und Vorgänge, sowie der Umgang mit der Kirche im Allgemeinen in der DDR erforderten besondere Ideen und öfters auch ein „Wunder“.

Zu jedem Detail, jedem Gegenstand, jeder Spende hat er eine ganz persönliche Geschichte zu erzählen. Oft ist sie auch herzergreifend und ging auch uns sehr nahe. Eine möchte ich hier mal mit eigenen Worten wiedergeben. Bei Weimar, Nohra war die Sowjetarmee mit ihrer größten Hubschrauberstaffel in der DDR stationiert. Auch in der Nähe von Werninghausen gab es ein Lager. Eines Tages hörte Pfarrer Franz leises Gebet aus der Kirche. Fünf russische Soldaten hatten sich hier eingefunden. Wie wir auch schon wussten, hatten die einfachen Soldaten (meist nur 18 – 19 Jahre alt bzw jung) ein Jahr lang keine Möglichkeit (auch nicht für einen kurzen Urlaub) zurück in die Heimat zu ihren Eltern, Familien zu kommen. Das Leben und der Dienst im Regiment/Garnison waren zudem äußerst hart. Umso verständlicher und menschlich sehr gut nachvollziehbar die Erklärung, die Pfarrer Franz von ihnen erhielt. Sie hätten so sehr große Sehnsucht nach der Heimat, Mutter, Vater, Familie. Hier in der Kirchen haben sie als Christen (unabhängig von der heimatlichen russisch orthodoxen Kirche) einen Ort gefunden um zumindest im Glauben und den Gebeten ganz nahe der Heimat und ihren Lieben zu sein.

Leider wurden diese Soldaten verpfiffen und es drohten Verfahren, Verurteilungen und extreme Bestrafungen in der Garnison. Wie es gelungen sei, die Soldaten durch eine sofortige Rückführung in die Heimat den Strafmaßnahmen hier zu entziehen könne nicht genau geklärt werden.  Pfarrer Franz war selbst einige Jahre in der Ukraine in Kiew tätig, erlernte dort auch die Ikonen-Malerei. Ein Zeugnis davon ist die Ikone der Jungfrau Maria im Altar-Raum vor dem Fenster. Stolz berichtet er weiter dass eines Tages in Holz-Künstler aus Bayern in der Kirche gewesen, diese Ikone gesehen habe und spontan zugesagt habe einen feuervergoldeten Kranz um diese Ikone herum anzufertigen und zu spenden. Das dürfen wir auch heute noch sehen und bewundern.

Damit sind wir bei dem Wort Wunder angelangt. Davon hat es hier nicht nur das Eine gegeben. Nein, es gab viele solche Wunder und Begebenheiten. Von einem weiteren – für mich – Wunder will ich jetzt erzählen.
Einige Jahre nach der politischen Wende in der DDR und dem Osten kamen mehrere Nonnen in die Kapelle und erzählten in gutem Deutsch, dass sie aus einem Kloster in „Russland“ kämen und einen besonderen Wunsch, eine besondere Aufgabe und Auftrag erfüllen möchten. Im Namen dieser 5 ehemaligen Soldaten überreichten sie zwei gold-umfasste Ikonenbilder als besonderen Dank. Diese beiden Ikonen hängen ebenfalls in der Kirche seitlich vor dem Altar. Auch dieses ist ein weiteres Zeichen der gelebten Ökumene. Ein weiteres, außen sehr gut sichtbares Zeichen ist unter anderem auch der besondere Zwiebelturm auf dem Dach des Klosters. Hier werden sofort Assoziationen zum Beispiel zur Basilius Kathedrale oder anderen Kirchen wach. Sie merken schon, ich könnte so viel von diesem besonderen Ort und dem besonderen Tag für unsere Gruppe hier berichten. Aber ich möchte noch zu weiteren Besonderheiten kommen.

Etwas später nahm der Pfarrer einige Senioren mit hoch auf die Empore zur „romantischen“ Orgel (ebenfalls durch Spenden finanziert). Mit verschiedenen Musikstücken erklärte er uns mehr als nur den Aufbau der Orgel. Es war faszinierend seinem Spiel und der Akustik hier im Kirchenschiff zu lauschen. Angekommen bei Orgelmusik zur Adventszeit erzählte er stolz, dass er eine Besonderheit hat einbauen lassen in das Orgelgehäuse. Diese Besonderheit wird dann nicht nur die Kinderaugen zum Strahlen bringen. Nun setzte er zu seinem Orgelspiel ein besonderes Glöckchen-Spiel in Gang. Fällt Ihnen dazu auch spontan der Glöckchen-Klang einer Advents- und Weihnachtspyramide mit Kerzen ein? Dann haben sie den gleichen Gedanken wie ich im Kopf und sicher auch ein Bild dazu.

Der weitere Weg führte uns später zu der gleich neben der Kirche stehenden Kapelle. Auch hier gäbe es ganz viel zu erzählen. Die Ikonenbilder und ihre Geschichte habe ich bereits erwähnt. Weiteres möchte ich aber jetzt unterlassen und Ihnen statt dessen einen eigenen Besuch bei der Ordensgemeinschaft in St. Wigberti in Werninghausen besonders ans Herz legen. Bitte melden Sie sich vorher an, bei Bruder Klaus zum Beispiel.
Auch in der Kapelle spielte Pfarrer Franz dann die Orgel und wir sangen dazu. Auch viele Kirchenlieder sind in allgemeines Liedgut aufgenommen worden und allgemein bekannt. Wir haben gemeinsam mit Freude gesungen „Kein schöner Land in dieser Zeit“.

Die Ordensgemeinschaft hatte für uns auch zum Abschluss eine Kaffeetafel vorbereitet. Der Kuchen war übrigens vom örtlichen Bäcker gebacken, frisch und super lecker, eben wie bei Muttern Zuhause. Ein großes Lob deshalb auch an den örtlichen Bäcker.

Bei der Kaffeetafel gab es Gelegenheit zu weiteren Gesprächen mit Pfarrer Franz und Bruder Klaus. Noch ganz im Rausch der vielen Eindrücke und Gedanken hatte ich selbst momentan keine weiteren Fragen, die nicht auch schon gestellt worden waren. Neben dem großen Wandbild an der Stirnseite des Raumes wies uns der Pfarrer auf ein weiteres kleines gesticktes Bild hin mit der Inschrift: „Die Wärme des Elternhauses ist der beste Schutz vor der Kälte der Welt.“ Wieviel Wahrheit, Weisheit und leider auch Realität in unserer heutigen Welt steckt doch bereits in diesen wenigen Worten!?

Wir verabschiedeten uns von Pfarrer Franz und Bruder Klaus mit den besten Wünschen, vor allem für gute und stabile Gesundheit und dem Wunsch bald einmal wiederkommen zu dürfen, eben auf ein „Wiedersehen“.
Die Gespräche der Gruppe vom WB 4 im Bus auf der Rückfahrt drehten sich alle um dieses besondere Erlebnis heute bei St. Wigberti, den Eindrücken, Emotionen.

Verschiedene Fragen kamen in mir dann erst bewusst auf, als ich wieder zu Hause war. Was im Radio im Zimmer da gerade gesprochen oder gesungen wurde, rückte für mich ganz weit in den Hintergrund und wurde förmlich ausgeblendet. Nun setzte ein Prozess in mir ein, den ich eingangs schon beschrieben hatte mit diesen besonderen Erlebnissen, Emotionen, Gedanken und mehr. Auch die kommenden drei Tage habe ich mit vielen Gedanken, Nachdenken um diesen Besuch verbracht.

Bin ich nun am Ziel angekommen? Nein! Ich denke eher, dass ich am Anfang eines Weges bin.

Thomas Leipold

Autor:

Thomas Leipold

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