Herberge nicht nur für Handwerksburschen

Diakonie im Landkreis Gotha feiert in diesem Jahr 170-jähriges Bestehen

Von Antje Sommer

Wir beschäftigen uns mit den gleichen Themen wie vor 170 Jahren«, stellte Tanja Schreyer erstaunt fest, als sie die Chronik über diakonische Arbeit im Landkreis Gotha zusammenstellte. Als Kirchenkreissozialarbeiterin hat sie täglich mit Armut, Wohnungsnot und der Versorgung von Menschen mit Kleidung und Essen zu tun.
Das Diakoniewerk Gotha war 1847 als »Arbeitsanstalt für Bedürftige« gegründet worden. »Gotha knüpfte an die Ideen der großen Köpfe und großen diakonischen Bewegungen seiner Zeit an. Darauf können wir stolz sein«, sagt Friedemann Witting, heute Superintendent in Gotha.
Die soziale Situation hatte sich damals durch die Industrialisierung verschärft. Alte Gewerbe waren zusammengebrochen, Handwerker hatten nicht mehr genügend Arbeit, immer mehr Kleinbauern kamen in existenzielle Nöte. »Mit einem Schlag wussten die Menschen nicht mehr, wie sie ihr tägliches Brot besorgen sollten und verließen ihre Dörfer. Da war kein System, was diese Not abdecken konnte. Gleichzeitig gab es Menschen, die bereit waren, mit ihrem Wohlstand arme Menschen zu unterstützen«, so Friedemann Witting.
Kurz nach der ersten Gründung der ersten »Herberge zur Heimat« in Bonn wurde die christliche »Herberge zur Heimath« für wandernde Handwerksburschen in Gotha ins Leben gerufen. Die Herberge sollte sich der »schwer gefährdeten Brüder« annehmen und ihnen als »gute christliche Heimstätte« dienen. Im ersten Jahr erhielten 2 153 Wandergesellen in den 20 vorhandenen Betten für zwei Groschen Nachtlager. Ein Teller zum Mittagstisch kostete zwischen einem halben und zweieinhalb Groschen. Nachdem immer mehr »Vagabunden« und »Hausbettelei« in Gotha Einzug hielten, richtete die »Anstalt für Bedürftige« 1884 eine »Natural-Verpflegungsstation« und die Ausgabe einer »Armensuppe« ein.
Mit dem Ersten Weltkrieg spitzte sich die Situation zu. Ein Jahr nachdem Hitler zum deutschen Reichskanzler gewählt wurde, wurden alle Schulungs- und Bildungsangebote abgeschafft. Nur die Nähstube konnte weitergeführt werden. Für die Diakonie begann ein Dornröschenschlaf, der bis zur Wende 1989 anhielt und nur durch die Gründung des Bodelschwingh-Hofes in Mechterstädt unterbrochen wurde.
Mit der Wende bekam die diakonische Arbeit im Landkreis Aufwind. Seit 1990 entwickelten sich um die 70 Einrichtungen und Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien, für Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen, für Senioren oder für Flüchtlinge und Migranten. »Wir haben es geschafft, alle Bereiche unter dem Dach der Diakonie für den Landkreis Gotha zu vereinen«, sagt Superintendent Witting. Herausforderungen gäbe es aber auch heute noch. So müssten jedes Jahr mindestens 60 000 Euro an Spendengeldern aufgebracht werden, um das Sozialprojekt »Liora« am Leben zu erhalten.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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