DIE CORONABIBLIOTHEK
8. Teil

Akte, Akten, Akten ...

"Kommt der Leser nicht zur Bibliothek, geht die Bibliothek zu ihm."
Marcello Cervini (1548–1555) - Protektor des Erzarchivs

Hier nun der abschließende Traum aus der uns durch Zufall in Mitwisserschaft gelangten Kiste. Brisante neue Fakten zur Lutherforschung. Die Datierung dieses Traums weist ihn allerdings zeitlich als ersten Traum aus.

Traum:
Führte heut mein klein Püpplin Agnisa-Kathrein, dasselbe ich von Großmuttern Margareten geborene Ziegelerin zum Christfest vorigs Jahr als Gab und Geschenk erhalten, am Tag der Heiligen Katharina von Alexandria mit innen Berg. Hab drunten mit Vater Hans allwieder viel Ertz brechen und schleppen müssen. Darnach ein wenig gevespert, als der Berg grollete und Rumor gemacht. Dass der Vater aufspringt, seine Sachen und zum Schluss auch mich in Korb warf und schrie: „Hoch fahrn müssen wir, dummer Bub, geschwindt! Der Berg kommt übel.” Da sind wir flugs hinauf und hoch, da der Vater am Seil uns aufgezogen über die drei eisern Rollen, die außen am Schacht fest hangen. Darbei aber das Agnisenpüpplin Kathrein unten im Schacht vergessen. Ist der Stollen mit Ach und Krach und großem Staubgewölke zufallen und Püpplein Kathrein verschlossen nun in dem Berg liegt.  - - - Hab mich innen Schlaf geweinet die ganze Zeit und bin an Mitternacht erwacht, weil die Kathrein mir im Traum erschienen. Hab ein Licht entzündet und für mein Püpplein zur Maria und zum Antonius geflehet, dass ichs mag wiederfinden über Tag und Jahr - und wenns soll erst sein in der lieben Ewigkeit der Höllen. Da hab ich wieder einschlafen können. Und geträumt, die drei heiligen Madeln seien mir erschienen und inmitten stund die Heilige Katharina und flüsterte immer und immer wieder: „Martin, Martin. Wirst werden ein großer Mann, denn ich will Dir helfen von unten aus der Seele des harten Gebirgs. Weiß ja, wie du dein Püpplin herzlich vermissest! Und harre deiner da drunten in der Tiefe!” (D. Kath. de Alex. 5.Iulii 1490)

Kommentar von Tusmenitzer:
Fragezeichen über Fragezeichen. Ist das wirklich ein Kindertraum von Luther? Die Schrift ist anders gestaltet. Auch spricht gegen die Autorschaft Luthers, dass dem Traum die Beschreibung einer Situation am Tag 5.7.1490 vorangestellt ist. Ebenfalls gibt gerade dieses Datum keinen rechten Sinn, denn es ist der Tag der Heiligen Katharina am 5.Juli des Jahres 1490 ein Sonntag gewesen, an dem auch der Vater Luthers sicher nicht im Bergwerk gearbeitet haben mag.

Hat hier Dominicus Hetzer einen Luthertraum gar erfunden? Wenn ja - dann ist dieses sicher aus der Motivation heraus geschehen, Luther eine Verbindung zu unterirdischen Kräften anzudichten. Erfunden ward ein Traumgesicht, das für die schicksalsmäßige Verwandtschaft des armen Mannes stehen sollte, mit Frauenspersonen, die allesamt den Namen Katharina tragen, eine Verbindung zu haben: Eine im Kupfer-Berg-Werk durch die Nachlässigkeit des Knaben verschüttete Kinderpuppe spräche lebenslang immerdar zu ihm, als Symbolon seiner in der Tiefe des Schicksals verschüttete und gefangene Seele. Und die Aufgabe wäre gewesen - und ist es ja auch geworden - , das Seelenpüppchen aus der Tiefe tauben Gesteins zu erretten und samt sinnigem Inhalt nach oben an das Tageslicht zu führen. Insofern verstehen wir auch den Spruch: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders!” nun ganz neu, und genauso, wie es schon der bekannte Seelenarztes Dr. Carl Gustav Carus im sächsischen Dresden ganz beispielhaft, wenn auch nicht unwidersprochen, behauptet hatte.

Hier enden die Traumnotizen. Anzumerken bleibt, dass der Pappdeckel der Akte auf der Innenseite den Vermerk des damaligen Hauptbibliothekars Antonio Tosti enthält: Nunmehrige Ablösung des Hilfsbibliothekars Jacub Tusmenitzer (mosaische Religion) am 24. Februar 1866 durch Joseph Mödelbauer endlich durch den Heiligen Vater seine Eminenz Pio Nono genehmigt.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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