Gedenkort Kursdorf
Andacht an der Landebahn

Alexander Weber schuf das Relief vom einstigen Dorf. | Foto: Claudia Crodel
  • Alexander Weber schuf das Relief vom einstigen Dorf.
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Margrit Weber ist in Kursdorf bei Schkeuditz aufgewachsen und ist nach dem Studium wieder zurückgekehrt. 2016 hat die heute 63-Jährige ihren Heimatort verlassen.

Von Claudia Crodel

„Damals haben nicht mal mehr zehn Leute hier gewohnt“, schaut sie zurück. Heute stehen von Kursdorf nur noch die kleine romanische Kirche, ein Teil des alten Schulgebäudes und zwei verlassene Einfamilienhäuser. Aber: Seit Kurzem gibt es in Kursdorf auch einen Gedenkort, der an die Geschichte des Dorfes erinnert. In einer kleinen Feierstunde an der Kirche wurde er einweiht. Er ist das Ergebnis einer gemeinsamen Aktion der evangelischen Kirchengemeinde und des Bürgervereins Kursdorf, der schon Mitte der 90er-Jahre entstand und bis heute aktiv ist.

Alles habe 2003 angefangen mit den Plänen von DHL am Flughafen Leipzig/Halle. „Der Flughafen hat sukzessive immer weitere Grundstücke übernommen“, erzählt Margrit Weber. Man habe versucht, in der Gemeinschaft wegzuziehen, aber die ersten hätten den Ort schon 2007 verlassen, dann seien nach und nach immer mehr fortgezogen. Einige hätten die vom Flughafen angebotenen Tauschgrundstücke in Schkeuditz übernommen, andere sich in weiteren Orten ein neues Zuhause geschaffen. Die, deren Grundstücke nicht der Südlandebahn zum Opfer gefallen sind, hätten auch bleiben und ihre Häuser in Sachen Lärmschutz aufrüsten können. Aber was ist das für ein Leben? „Einige sagen, sie haben es jetzt besser. Ich vermisse das Dorf, die Gemeinschaft, wo alles auf Zuruf geht mit kurzen Wegen“, sagt Margrit Weber. Nachdem sie fortgezogen war, hatte sie gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Bürgervereins den Wunsch, etwas in dem verlassenen Dorf zu schaffen, das an das Dorf erinnert, eine Erinnerungsbank oder -tafel.

Genau zu dieser Zeit und völlig unabhängig vom Bürgerverein entwickelten Pfarrer Axel Meißner und der Vikar Georg Schmidt ein gemeindepädagogisches Projekt. „Wir dachten zuerst an einen besonderen Gottesdienst, der die Trauer und den Verlust des Ortes aufnimmt, aber auch den Aufbruch nach Schkeuditz. Wir wollten das Ganze ›Abschied und Willkommen‹ nennen“, erklärt Pfarrer Meißner. Vikar Schmidt verteilte 2017 zum Gottesdienst am Heiligen Abend in der Kursdorfer Kirche Zettel, um für das gemeinsame Projekt Interesse zu wecken. Viele ehemalige Anwohner feierten den Heilig Abend in der Kursdorfer Kirche.

Mit Gottes Fügung war das Interesse bereits da, und man konnte loslegen. In rund zweijähriger Arbeit, an der auch das Stadtmuseum Schkeuditz beteiligt war, und mit einer großzügigen Förderung mit europäischen Mitteln aus dem Leader-Fonds sowie zahlreichen Spenden konnte das Projekt umgesetzt werden. Insgesamt flossen rund 17 000 Euro in den Gedenkort.

Wer heute, beispielsweise auf einer Fahrradtour, durch Kursdorf kommt, fährt nicht nur direkt an der Kirche vorbei, sondern auch am neuen Gedenkort schräg gegenüber. Im Mittelpunkt steht ein Metallrelief, aus dem alle einstigen Kursdorfer Häuser ragen. In der einen Ecke ist eine Hand, die den über 700 Jahre alten Ort von der Landkarte zu ziehen scheint. Der 33-jährige Alexander Weber, der in Kursdorf seine Kindheit verbrachte und Landschaftsarchitektur studierte, hat das Relief geschaffen.

Auf einem aus alten Steinen von Kursdorfer Gehöften gemauerten Sockel stehen Tafeln, die die Geschichte des Ortes Kursdorf erzählen und auch von anderen längst von der Landkarte verschwundenen Dörfern wie Lorsdorf, das im 30-jährigen Krieg zur Wüstung wurde. „Es gab hier in der Umgebung drei Wüstungswellen, infolge der Pest im 14. Jahrhundert, im 30-jährigen Krieg und in jüngster Zeit vor allem wegen der großen Braunkohletagebaue“, ordnet Stadtmuseumsleiter Hans Neubert ein. „An viele Orte erinnert heute gar nichts mehr. Kursdorf hat Glück. Die Kirche wird bleiben als eine der ältesten Bauten der Gemeinde Schkeuditz. Und unser Museum hat viele Dinge aus Kursdorf, die es für die Zukunft bewahrt“, so Neubert.

Rayk Bergner, Oberbürgermeister von Schkeuditz, der den Gedenkort als sehr gelungenes Projekt lobte, will alles dafür tun, dass die Kirche erhalten bleibt und das auch noch einmal vom Stadtrat bestärken lassen. Kursdorf wird im Namen des Bürgervereins weiterleben. Die Arbeitsgemeinschaft Tourismus der Stadt Schkeuditz ist zurzeit dabei, einen Flyer für eine Kirchen-Radtour durch die Gemeinde zu erarbeiten. Die Kursdorfer Kirche erhält dort einen Sonderstatus. Und Pfarrer Meißner betont, dass es den Gottesdienst am Heiligen Abend um 18.30 Uhr weiterhin geben soll und in den Sommermonaten einige Veranstaltungen. „Diese Kirche ist kein totes Gebäude, sondern lebendiger Ausdruck der Menschen, die hier verwurzelt sind“, sagt er.

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Claudia Crodel

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