Jesus, Nietzsche und Fichte
SPRING!

Nietzsche, Jesus, Fichte (K.I. generiertes Bild)

Im Matthäusevangelium findet sich eine Szene, die für das christliche Menschenbild zentral geworden ist. Jesus fragt seine Jünger, als was die Leute ihn sähen. Verschiedene Propheten werden  genannt ... Erst als Petrus sagt: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, wird sichtbar, was geschehen kann. Ein Mensch findet seine Aufgabe, wenn er angesprochen wird. Petrus erkennt Jesus,  hält  den brennenden Reifen des Wagnisses hoch1) - und Jesus springt. Auf diese beherzte Weise gibt er sich - und danach auch Petrus - eine neue Identität. Er nennt seinen Jünger „Felsenmann“ und spricht ihm Verantwortung für die kommende Kirche zu. Der Mensch kann sich nie allein aus sich selbst verstehen, sondern erst dort, wo er von einem größeren Anspruch her auf eine höhere Aufgabe angesprochen wird, die ihn alles kostet.

Seit dem 18. Jahrhundert veränderte sich das Bild vom Menschen jedoch gewaltig. Die Wissenschaft der Anthropologie will uns nicht mehr im Licht Gottes verstehen, sondern als bloßes Naturwesen, Produkt sozialer Kräfte. Damit entsteht die Vorstellung, der Mensch solle „nur Mensch“ sein, ohne Bezug auf etwas Höheres. Doch je stärker der Mensch sich nur als Teil der Natur begreift, desto mehr verliert er Höhe und zugleich Tiefe. Nietzsche beschreibt später, dass die Menschen müde geworden seien, sich selbst ernst zu nehmen. In seiner Vision vom „letzten Menschen“ sieht er eine Gesellschaft kommen, die das Große, das Begeisternde, das Opferbereite nicht mehr kennt. Der letzte Mensch ist zufrieden mit dem Bequemen und Durchschnittlichen, orientiert sich an Unterhaltung und Anpassung und vermeidet alles, was ihn herausfordern könnte.

Eine ähnliche Antwort auf die Frage nach dem Menschen gab Johann Gottlieb Fichte. Er kritisierte, dass viele sich nur noch als Ergebnis äußerer Einflüsse sehen – der Natur und des gesellschaftlichen Umfelds. Wer sich so versteht, geht absichtlich unter seinen Preis - und  verliert das eigene Zentrum. Fichte zeigt, dass das Ich des Menschen nicht ein Ding unter Dingen ist, sondern eine besonders gesegnete geistige Kraft, die sich selbst zu verstehen versucht und Verantwortung für Höheres zu übernehmen geschaffen ist. In der Schrift „Die Bestimmung des Menschen“ beschreibt Fichte den Weg aus der Fremdbestimmung zum Erwachen des eigenen Ich. Zunächst erlebt sich der Mensch als Spielball von Kräften, die größer sind als er. Doch dann erkennt er, dass man „Ich“ sagen kann - und damit zum zündenden Ursprung bewussten Handelns wird. Dieser Moment ist für Fichte eine wahrhaftige Auferstehung ...

In diesen drei Stimmen – dem Wort Jesu, Nietzsches Kulturkritik und Fichtes Ich-Philosophie – geht es um ein und dieselbe Sache: Was macht den Menschen wirklich aus? Das Evangelium versteht den Menschen als Gerufenen, der seine Identität im Ruf aus dem Licht Gottes findet. Nietzsche sieht den Menschen deshalb als gefährdetes Wesen an, das der Versuchung der Mittelmäßigkeit zu unterliegen droht. Und Fichte führt zu jenem geistigen Ursprung, welcher sich im ernsten Selbstbedenken finden lässt. Gemeinsam zeigen die drei, dass der Mensch mehr ist als naturgeboren. Der Mensch sei also ein Wesen, das auf höhere Inanspruchnahme antworten kann? So ist es. Gott, der Sinn des Sinns im Lebens ... Darin liegt die wahre Würde. Und das bleibt die Aufgabe.

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1) Sloterdijk: "WELTFREMDHEIT" (Seite 37)

Autor:

Matthias Schollmeyer

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