Entpuppt
Warum der Zitronen- kein Ketzerfalter ist

Goldstreif am Horizont: Der Zitronenfalter ist meist einer der ersten Boten des Frühlings. Bei der Namensgebung spielten häufig religiöse Bezüge eine Rolle. | Foto: andiz275 – stock.adobe.com
  • Goldstreif am Horizont: Der Zitronenfalter ist meist einer der ersten Boten des Frühlings. Bei der Namensgebung spielten häufig religiöse Bezüge eine Rolle.
  • Foto: andiz275 – stock.adobe.com
  • hochgeladen von Online-Redaktion

Mit dem Frühling flattern wieder die Schmetterlinge durch Garten, Wald und Flur. Doch die Insekten sind nicht nur schön. Sie wurden auch schon früh religiös gedeutet.

Von Christopher Beschnitt

Kaum schickt die Sonne erste warme Strahlen zur Erde, fliegt er los. Kein Wunder, dass der Zitronenfalter als Frühlingsbote gilt. Das markant gelbe Tier ist hierzulande einer der häufigsten Schmetterlinge – und hart im Nehmen. Denn so zart das Insekt beim Flattern wirkt, so robust hat es sich im Winter gezeigt: Der Falter verharrte bei Schnee und Minusgraden praktisch ungeschützt unter einem Blatt oder an einem Grasbüschel. Sein Clou: körpereigenes Glyzerin – ein integriertes Frostschutzmittel.

Der Zitronenfalter ist eine von rund 3700 heimischen Schmetterlingsarten. Die meisten sind nachtaktiv, etwa der Braune Bär, Schmetterling des Jahres 2021. Seine Wahl soll die Lichtverschmutzung problematisieren, so der zuständige Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Denn Straßen- und Industrielampen störten die Orientierung nachtaktiver Tiere. Der Braune Bär fliegt durch Gärten und Parks. Andere Schmetterlinge leben in Höhlen oder im Hochgebirge, manche standorttreu, andere als Hunderte Kilometer ziehende Wanderer. Viele saugen an Blüten und Obst, andere an Aas, Kot oder Honig. Ihre Schuppen sind unscheinbar braun bis quietschbunt.

Was alle eint: die Metamorphose, der wundersame Wandlungsprozess vom Ei über Raupe und Puppe zum Falter. Gerade der letzte Schritt scheint schon so schillernd wie schließlich das Ergebnis: Die Raupe wird in der Puppe fast völlig zer- und neu zusammengesetzt. Am Ende bricht aus der abgestorbenen Hülle ein ganz anderes Wesen hervor und gaukelt unbeschwert hinaus ins Licht.

Passend!, dachte sich wohl Basilius der Große. Der Kirchenvater mahnte vor rund 1700 Jahren an der Auferstehung zweifelnde Christen: "Denkt an die Verwandlung dieses Tierchens und erkennt darin einen deutlichen Fingerzeig."

Hinweisgeber sind Schmetterlinge auch in ökologischer Hinsicht. Dass etwa der Admiral, eine aus Südeuropa kommende Art, zunehmend den hiesigen Winter übersteht, zeugt vom Klimawandel. Zudem mögen viele Raupen nur bestimmte Futterpflanzen. Das sollte bedenken, wer im Garten Brennnesseln ausreißt – Tagpfauenauge, Kleinen Fuchs und C-Falter hat er dann auch auf dem Gewissen, sie nagen nur oder besonders an diesem Gewächs. Nun sind Brennnesseln nicht selten, ihnen nützt der Stickstoffausstoß von Landwirtschaft und Verkehr.

Anders die empfindliche Rauschbeere. Deren Hauptlebensraum sind nährstoffarme Feuchtgebiete. Diese werden durch Düngeeintrag sowie Dürren und Entwässerungen für kräftigere Pflanzen zugänglich, die die Beere überwuchern. Mit ihr verschwindet dann der Hochmoorgelbling, dessen Raupen einzig die Rauschbeere futtern.
Auf andere Weise spezialisiert hat sich der Argusbläuling. Seine Raupen pflegen Symbiosen mit Ameisen: Die Larven geben ihnen zuckerhaltige Sekrete, weshalb die Emsen sie vor Spinnen schützen. Gewissermaßen haben also sogar Ameisen "Schmetterlinge im Bauch".

Beim Menschen beschreibt dieses Bild das flatterhafte Gefühl von Verliebtsein. Über wen man indes früher sagte, er habe die Motten – auch das sind Schmetterlinge –, der litt an Tuberkulose. Die Wendung erinnert an die wie Stoff zerfressene Lunge. Das Wort Schmetterling selbst fußt laut Duden wohl auf dem ostmitteldeutschen "Schmetten", einem Ausdruck für Sahne. Denn nach altem Volksglauben fliegen Hexen in Schmetterlingsgestalt umher, um Milch und Sahne zu stehlen. Auch Sportler machen den Schmetterling: Beim Schwimmen und Segeln heißen Stile so.

Die Tiere selbst wiederum tragen mitunter so kuriose Namen wie Nonne, Klosterfrau und Brauner Mönch oder Rotes, Gelbes, Blaues und Schwarzes Ordensband – alles Falter, deren Farben denen bestimmter Kirchen-Kleidung ähneln. Von der Namenberatungsstelle an der Universität Leipzig heißt es dazu, Menschen hätten ihre Umwelt früher nach deren Auffälligkeiten benannt.

Religiöse Bezüge seien dabei wegen der großen kirchlichen Prägung der Gesellschaft gang und gäbe gewesen. Somit hätte der Zitronen- auch Ketzerfalter heißen können. Denn Gelb galt im Mittelalter als Schandfarbe etwa für Häretiker. Da ist die Frucht-Anleihe dann doch klangvoller.

(kna) 

Autor:

Online-Redaktion

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

29 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.