„Herberget gerne“
Mit dem Bett auf Reisen

Anders "behütet": Da der Hotelbetrieb seit November stillsteht, haben Amalienhof-Chefin Claudia Wießner (l.) und Assistentin Beatrice Stöpel die gästefreie Zeit für Renovierungsarbeiten genutzt. | Foto: Katharina Hille
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  • Anders "behütet": Da der Hotelbetrieb seit November stillsteht, haben Amalienhof-Chefin Claudia Wießner (l.) und Assistentin Beatrice Stöpel die gästefreie Zeit für Renovierungsarbeiten genutzt.
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Demütig habe sie die Corona-Zeit gemacht, sagt Claudia Wießner. Doch die Geschäftsführerin des „Amalienhofs“ in Weimar, eines der Gründungshotels des „Verbandes Christlicher Hospize“, fühlt sich auch gestärkt durch die Krise. Ein Besuch.

Von Katharina Hille

Durch die Corona-Zeit sei ihr bewusst geworden, wie verletzbar die Menschen sind, sagt Claudia Wießner. "Wir haben aber auch neue Ressourcen freigelegt und sind als Team gewachsen.“ Doch die Geschäftsführerin des Boutique-Hotels „Amalienhof“ in Weimar ist überzeugt: „Nach sechs Monaten Lockdown brauchen wir endlich eine Perspektive. Wir möchten wieder unseren Lieblingsjob ausüben: Unseren Gästen Herberge geben!“

Den alteingesessenen Weimarern ist das Hotel in der Amalienstraße als Christliches Hospiz bekannt – wobei „Hospiz“ für das lateinische hospitium, die Herberge, steht. Das Haus aus der Goethezeit war Pension für alleinstehende Hauswirtschafterinnen und zählte 1904 zu den Gründungshotels des „Verbandes christlicher Hospize“ in Deutschland. Sein Leitmotiv “Herberget gerne!” (Röm 12,13; Hebr 13,2) ist für die Mitgliedshäuser der Nachfolgeorganisation „Verband Christlicher Hoteliers“ (VCH) Verpflichtung geblieben.

Das Team um Claudia Wießner beherbergt gern, mit Leib und Seele. Aus dieser Leidenschaft heraus haben sie seit Beginn der Pandemie neue Talente entdeckt und kühne Ideen umgesetzt. Zum Beispiel die mit dem eigenen Video-Kanal. „Wenn die Gäste nicht zu uns kommen können, besuchen wir die Gäste eben in ihren Wohnstuben“, dachte sich die Hotelchefin. Innerhalb einer Woche entstand das erste Video. Was für ein Glück, dass einer ihrer Mitarbeiter im Nebenjob Filmemacher ist. Was für ein Glück, dass Claudia Wießner sich selbst und anderen neue Wege zutraut. Das Projekt wurde mit dem Thüringer Tourismuspreis 2020 ausgezeichnet.

Die Videos dienen jedoch nicht nur der Verbindung zu den Gästen in Zeiten des Lockdowns, sondern auch der Mitarbeiterbindung und Motivation in Zeiten der Kurzarbeit. Jeder sollte sich eine kreative Aufgabe suchen – vor oder hinter der Kamera, beim Renovieren oder auch in einem Kurs mit der Betreiberin des benachbarten Bistros. Vegane Brotaufstriche kreierten sie und wollen die Anregungen künftig im Frühstücksangebot aufnehmen.

Ein Hotelier vereint viele Berufe, sagt die diplomierte Betriebswirtin, die als 29-Jährige den „Amalienhof“ 2005 übernahm. „Wir sind Gastgeber, Psychologen, Einkäufer, Innenausstatter, Gartengestalter, Marketingmenschen.“ Seit der Gästebetrieb Anfang November erneut heruntergefahren werden musste, hat Claudia Wießner zudem Umbau- und Renovierungsarbeiten gemanagt und sich immer auch um die Seele ihres Teams gesorgt. Fröhlich, herzlich und nach vorne schauend.

„Meist hat sie die Ideen und Visionen, und ich suche dann Wege, wie sich das umsetzen lässt“, erzählt Assistentin Beatrice Stöpel über ihre Chefin. Auch das „Bett auf Reisen“ war so eine Aktion, um auf die Situation des geschlossenen Gastgewerbes aufmerksam zu machen. Ein leeres Hotelbett wurde ins Auto gepackt und vor dem Goethe-Schiller-Denkmal fotografiert, an das Brandenburger Tor gestellt, nach Dresden gefahren. Inzwischen wird es innerhalb des Hotelverbands VCH von Haus zu Haus gereicht und soll demnächst für einen guten Zweck versteigert werden.

Die Ideen scheinen ihnen nicht auszugehen: „Wir sind alle Gastgeber, nicht Portier, Zimmermädchen oder Rezeptionist!“ Und so wird eben dieser Gastgeber zum Parkführer mit Picknickkorb, Anna Amalia besucht im historischen Kostüm das Managerseminar, die Hotelchefin begleitet ihre Gäste zur Theaterpremiere und sorgt für eine Führung hinter die Kulissen des Deutschen Nationaltheaters. Auf den Kopfkissen der Hotelzimmer liegt demnächst ein Betthupferl der besonderen Art in Form eines von den Mitarbeitern produzierten Weimar-Comics. Es muss nicht immer Schokolade sein.

„In einem Boutique-Hotel gibt es nichts von der Stange, sondern persönliche, individuelle Betreuung“, erklärt Claudia Wießner ihr Verständnis vom Beherbergen. Sie kann sich auf ein eingespieltes Team verlassen und setzt auf gegenseitiges Vertrauen. Wenn sie nur endlich ihren Lieblingsjob wieder ausüben könnten: Gästen eine Herberge geben!

Anders "behütet": Da der Hotelbetrieb seit November stillsteht, haben Amalienhof-Chefin Claudia Wießner (l.) und Assistentin Beatrice Stöpel die gästefreie Zeit für Renovierungsarbeiten genutzt. | Foto: Katharina Hille
Kreativität in weißen Laken: Mit der Aktion „Bett auf Reisen“ möchte Claudia Wießner auf die Situation des geschlossenen Gastgewerbes aufmerksam machen – und tourte dafür sogar bis nach Berlin.  | Foto: BVMW
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