Weihnachtsgeschichte
Ein oft  vergessenes Detail

Gut "gepampert": Krippenspiel mit einem Baby als Jesuskind im Gemeindehaus der Kirchengemeinde Dortelweil in Bad Vilbel bei Frankfurt am Main. | Foto: epd-bild / Norbert Neetz
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Maria wickelte den neugeborenen Jesus nach der Geburt in Windeln,  heißt es im Lukasevangelium. Was es mit der Windel Jesu auf sich hat  - und wie der Puderzucker rund um den Christstollen damit  zusammenhängt.

Von Marieke Lohse  

Zu Weihnachten wird ein Satz wieder in allen Kirchen zu hören sein: «Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe.» So übersetzte Martin Luther den mit großer Wahrscheinlichkeit stundenlangen Prozess der Geburt Jesu - und das in nur einem Satz. Ein Detail wird beim Vortragen und Aufführen der Weihnachtsgeschichte oft außer Acht gelassen: die Windel. In Krippenspielen hat die Puppe meist schon die Windel um. Schnell ist die kleine Randnotiz - das Wickeln in Windeln - überlesen.

Dabei taucht die Windel im deutschen Luther-Text zur Geburt Jesu gleich ein zweites Mal auf, wenn der Engel kurz nach der Geburt zu den Hirten spricht: «Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.»

Aber trug das berühmteste Baby der Welt überhaupt Windeln? Die Übersetzung Luthers legt das zwar nahe. Der griechische Ursprungstext, der dem Evangelisten Lukas zugeschrieben wird, verwendet das Verb «sparganóo». Es ist erstmals in den Schriften von Hippokrates und Plutarch erwähnt. Ins Deutsche übersetzt wird es häufig mit «jemanden in Windeln einwickeln». Ein eigenes Wort für «Windel» hat der ursprünglich griechisch verfasste Text im Neuen Testament nicht.

Das Wickeln eines Neugeborenen ist der Antike nicht unbekannt - und war etwas anderes, als wir heute mit Pampers und Puder verbinden. Der griechische Arzt Soranos von Ephesos (etwa 100 n. Chr.) widmet dem Thema Wickeln und Pflege eines Neugeborenen ein eigenes Kapitel in seinen gynäkologischen Schriften, den «Gynaikeia». Demnach würde das Kind, nach Durchtrennen der Nabelschnur, gewaschen, mit Salz bestreut und in Bandagen gewickelt.

Wobei das Einwickeln tatsächlich den gesamten Körper des Kindes meint, exklusive des Kopfes. Ein strammes Wickeln sollte den zarten Kinderleib schützen und Auskühlungen sowie anderen Schäden vorbeugen. Als «Pucken» ist das Ganzkörper-Wickeln in der Gegenwart wieder neu entdeckt worden.

Es gibt nur wenige Details, mit welchen Materialien im Einzelnen gewickelt wurde. Über die Stoffherstellung aus der Zeit vor Christi Geburt gibt es mehr Informationen: Wolle war in Ägypten und China bereits um 5000 v. Chr. bekannt. Ebenso wurden Leinenfasern schon früh zu Garnen verwoben, um daraus Stoffe und Kleider zu fertigen. Baumwolle hingegen hätte importiert werden müssen.

Tücher und Stoffe waren sehr aufwendig in der Herstellung und dementsprechend wertvoll. Die Windel war also schon ein gewisses Privileg für das Jesuskind. Das Thema «Wickeln» im heutigen Sinne wird in der Forschung nur sporadisch erwähnt. Es ist aber anzunehmen, dass in gemäßigten Klimazonen Kinder selten gewickelt wurden, um die Notdurft aufzunehmen, sondern einfach nackt blieben.

Wie die Windel ausgesehen haben könnte, ist alle sieben Jahre im Aachener Dom zu sehen. Laut Legende wird hier die originale Windel Jesu verwahrt. Die knapp einen Meter breite Reliquie, ein grober Wollstoff, soll von Konstantinopel als Geschenk für Karl den Großen nach Aachen gebracht worden sein. Es ist hier allerdings nur die halbe Windel zu sehen, die zweite Hälfte liegt in Rom.

Ohne Windel in der Weihnachtsgeschichte hätte der Christstollen heutzutage vielleicht auch keine Puderzucker-Schicht. Der mit Rosinen und Sukkade gespickte Laib wird mit Hilfe des Zuckers haltbar gemacht, schließlich muss er nach dem Backen mehrere Wochen Reifen. Nach christlichem Brauchtum symbolisiert der Puderzucker aber auch die Windel des Jesuskindes: Der Puderzucker umhüllt den Laib so fest wie die Windel das Baby. Das Kind in der Krippe musste gewickelt werden, um es auch vor äußeren Einflüssen zu schützen.

Kern der Weihnachtsgeschichte bleibt, dass Gott Mensch geworden ist. Jesus kommt als Sohn Gottes in einem ärmlichen Stall zur Welt und nicht in einem prächtigen Königspalast. «Ein Kindelein, so zart und fein», heißt es in einem Weihnachtslied von Martin Luther. Es wird gewickelt wie alle Neugeborenen, ist angewiesen auf Hilfe und Unterstützung wie jeder Mensch. Das Bild vom schutzlosen Kind in der Krippe hat das Christentum über Jahrhunderte geprägt und sorgt bis heute an Heiligabend für eine besondere Stimmung: Ein fast nackte Baby - geschützt nur durch eine Windel.

(epd)

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