Weihnachtsbetrachtung von Kirchenpräsident Joachim Liebig
Hoffnungsgrund

Advent in Südafrika: Vorschulkinder aus dem Township Philippi bei Kapstadt führen ein Krippenspiel in »iThemba Labantu« auf. Das sozialdiakonische Zentrum wird vom Berliner Missionswerk getragen. In »iThemba Labantu« gibt es unter anderem eine Vorschule, eine Schule, einen Hort und eine Suppenküche. Das Zentrum will Kindern in einem Umfeld von Armut, Drogen und Kriminalität eine Perspektive für ihre Zukunft geben. 
www.themba-labantu.de
 | Foto: Otto Kohlstock
  • Advent in Südafrika: Vorschulkinder aus dem Township Philippi bei Kapstadt führen ein Krippenspiel in »iThemba Labantu« auf. Das sozialdiakonische Zentrum wird vom Berliner Missionswerk getragen. In »iThemba Labantu« gibt es unter anderem eine Vorschule, eine Schule, einen Hort und eine Suppenküche. Das Zentrum will Kindern in einem Umfeld von Armut, Drogen und Kriminalität eine Perspektive für ihre Zukunft geben.
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  • Foto: Otto Kohlstock
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Es sind 32 Grad Celsius und ich erlebe das anrührendste Krippenspiel seit meiner Jugend. Gemeinsam mit Direktor Roland Herpich vom Berliner Missionswerk bin ich zu Gast im Township Phi­lippi am Rande von Kapstadt, Südafrika. Seit mehr als drei Jahrzehnten betreibt die Berliner Mission – zu deren Trägerkirchen die anhaltische Landeskirche gehört – das sozialdiakonische Zentrum »iThemba Labantu« mit den und für die Armen in der Millionenstadt am Kap.
Ein Kindergarten, eine Grundschule, eine Suppenküche, Freizeitaktivitäten mit Sport und Musik sowie eine Betreuung von Kindern, die noch nie zur Schule gehen konnten, sind dabei nur einige Angebote des Zentrums.
Im Krippenspiel in der Vorschule von »iThemba Labantu« ist nicht nur einer der drei Könige schwarz, sondern alle Darsteller. Mit Hingabe erzählen die Kinder die alte Geschichte von der Geburt im Stall. Viele von ihnen wurden unter ähnlichen Bedingungen geboren und leben in Armut. Die Geschichte aus dem Lukas­evangelium bedarf in dieser Umgebung keiner Erklärung. Bis hin zu den Temperaturen ist sie Bethlehem ganz besonders nahe.
Die Eltern im Publikum sehen mit größter Hoffnung auf ihre Kinder: Sie haben einen Schulplatz und werden vielleicht eine Ausbildung bekommen. Möglicherweise werden sie die Armut hinter sich lassen. Die Wahrscheinlichkeit dazu ist allerdings ge-
ring – Gewalt, Drogen, Hoffnungslosigkeit und für viele Mädchen eine frühe Mutterschaft sind realistische Perspektiven.
Und dann die zeitlose Geschichte aus einem Stall vor 2 000 Jahren. Ich kann diese Geschichte mit Realismus lesen und das Legendenhafte ausblenden; ich kann sie theologisch deuten, wie Lukas sie angelegt hat; ich kann sie als emotionales Accessoire für meine weihnachtliche Grundstimmung nutzen.
Hier – mitten in einem südafrikanischen Township – ist die Geschichte alles in einem. Sie ist überzeitlich und jenseits der persönlichen Deutung Menschheitswahrheit, Hoffnungsgrund und Trostgewissheit. Gott wird als Kind Mensch wie wir – damit steht sein Tod fest, und dennoch endet die Geschichte von Bethlehem ein kurzes Leben später in Jerusalem ganz anders, als zu erwarten ist.
Wäre die Weihnachtsgeschichte nur anrührend um eines Kindes willen, so wäre sie schön, aber nicht besonders. Der Text des Lukasevangeliums verbindet Menschen über Kulturen und Zeiten hinweg, weil er uns auf geheimnisvolle Weise zutiefst angeht.
Ob wir über die Geburt Jesu jenseits des Äquators oder in unseren Weihnachtsgottesdiensten hören, ändert nichts an dem Geheimnis der Worte und ihrer Bedeutung. Selbst Menschen, die meinen Glauben nicht teilen, lassen sich davon berühren – vielleicht als Auftakt zu einem Glauben, der die Welt deutet und dabei auch Armut, Krieg und Gewalt nicht ausklammert.
Mit dem Auftakt des Lukasevangeliums entfaltet sich der Hörerschaft die unübertroffene Zusage Gottes, mich als Individuum und die gesamte Menschheit unter keinen Umständen allein zu lassen. Menschen in Philippi/Kapstadt leben täglich aus dieser Zusage.
Meine Lebensumstände sind unvergleichlich besser. Dennoch brauche ich diesen tragenden Zuspruch Gottes in gleicher Weise. Das hat mich schon immer am Heiligabend erfasst.
Die Bilder dieses besonderen Krippenspiels bestärken meine Erfahrung. Allen Gottesdienstbesucherinnen und -besuchern an den Weihnachtstagen kann es ähnlich gehen. Wer daraus Hoffnung und Trost für sein eigenes Leben erfährt, beschreibt Weihnachtsfreude nicht als vordergründige Verpflichtung zum Fröhlichsein. Weihnachtsfreude, auf diese Weise erlebt, trägt weit über die Feiertage hinaus, kann in den Gottesdiensten des Jahres bestärkt werden und sogar Lebenshaltungen ändern.
Das wünsche ich zunächst den Kindern und ihren Familien an der Südspitze Afrikas und nicht weniger uns allen. Ein gesegnetes Christfest!
Joachim Liebig, Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts

Autor:

Online-Redaktion

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